Bleiweißfassung

»Schreib alle Unbill in den Staub, alle Wohltaten in den Marmor!«
(Benjamin Franklin, 1706 – 1790, Staatsmann)



Prunkstiege Oberes Belvedere, Wien

Über Jahrhunderte hatte man versucht, mit dieser aufwendigen Beschichtung edlen Marmor zu immitieren. Spätestens Ende des 19.Jhdts. jedoch verliert die Fassung von Steinoberflächen mit Bleiweiß endgültig ihre Bedeutung. Im damals herrschenden Purismus fielen zahllose prunkvolle Oberflächen dieser Geisteshaltung zum Opfer. Nach dem Motto: „Materialwahrheit“, oder: „...laßt Steine zu uns sprechen...“.

Inzwischen ist das historisch so bedeutende Anstrichsystem fast in Vergessenheit geraten. Sogar vielfach verboten, da es ja bei unsachgemäßer Anwendung durchaus schwer gesundheitsschädigend sein kann. Ist der Anstrich aber einmal ausgehärtet, so bestehen keinerlei gesundheitliche Bedenken mehr. 

In der Sala Terrena und der Prunkstiege des Oberen Belvederes bestand mit Unterstützung des World Monument Founds und des Bundesdenkmalamtes erstmals seit vielen Jahrzehnten die Chance einer Rückführung der Skulpturen in das bleiweißgefasste, originale Erscheinungsbild der Barockzeit. Eine seidenmatt glänzende, fast dem Elfenbein ähnliche und sehr glatte Oberfläche unterstreicht nun die virtouse Modellierung der gewölbetragenden Atlanten von Lorenzo Mattielli und der laternentragenden Puttigruppen auf den Balustraden der Prunkstiege. Sie geben einen reizvollen Kontrast zu den reinweiß gekalkten Flächen der Wände und der Stuckdecken.

Umfangreiche Recherchen in alter Fachliteratur gemeinsam mit vielen chemischen Analysen waren notwendig, um diese alte Technik wieder zum Leben zu erwecken. Und die Chancen für weitere Anwendungen stehen meines Erachtens gar nicht so schlecht. Aktuell wird dieses Thema sogar im Rahmen einer von mir betreuten Diplomarbeit an der Universität für Angewandte Kunst umfassend aufgearbeitet. Vielleicht könnte diese Methode in Zukunft eine traditionelle Alternative zu den heutigen Anstrichsystemen werden?!

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